Gestern habe ich auf dem Heimweg unter einem Baugerüst einen aufgeplusterten Spatzen vor einem Hotel sitzen sehen und dachte, dass es ein älterer Jungvogel sein könnte, der sich ausruht.
Da ich kurzsichtig bin und kein Köpfchen erkennen konnte, ging ich näher heran und stellte fest, dass er überhaupt nicht reagierte oder sich bewegte. Plötzlich rannte ein Kind vorbei und da hob er sein Köpfchen, das er verdreht unter seinem Flügel versteckt hatte und lief wackelig ein paar Schritte. Offensichtlich hatte er sich nicht nur kurz ausgeruht, sondern es ging ihm nicht gut und er konnte dort direkt neben dem Hoteleingang nicht bleiben.
Das Baugerüst war neu aufgestellt worden und ich dachte, dass er vielleicht dagegen geflogen sein konnte, denn ich wusste, dass am Regenrohr einige der Spatzen jedes Jahr ihre Nester bauten.
Ich rief meine Nachbarin an, in der Hoffnung, dass sie mir einen Karton bringen konnte, in dem ich ihn zur Tierarztpraxis bringen konnte. Sie hatte leider keinen Karton, aber sie kam und passte auf, dass weder Hunde, Kinder oder Touristen mit ihren Koffern dem Vogel zu nah kamen. Da wir nur ein Haus weiter wohnten ging ich schnell nach Hause und holte einen sehr kleinen Karton, weich ausgelegt mit Küchenrollenpapier und Einmalhandschuhe.
Als ich ihn vorsichtig mit beiden Händen aufhob, bewegte er sich nicht. Und obwohl er kein Jungvogel zu sein schien, war er so leicht wie Papier. Ich lief mit ihm zur Tierarztpraxis und spürte wie er sich ein paar Mal im Karton bewegte.
In der Praxis angekommen, sah sich zunächst eine erfahrene Helferin den Kleinen an, da beide Tierärzte in Behandlung waren (sie hatte schon viele Spatzen gepäppelt). Er bewegte sich nicht, das rechte Augen war geschlossen und seitlich vom linken Auge befand sich getrocknetes Blut. Er war so dünn und hatte am linken Fuß kein Greifreflex. Sie glaubte, dass es besser sei ihn zu erlösen. Als man ihn etwas Wasser mit der Spritze anbot, trank er kurz und wollte dann aber aus der Hand raus.
Der Tierarzt kam und sah ihn sich an, doch er bewegte sich wieder nicht und so war sich der Tierarzt nicht sicher, ob man ihm einen Versuch zumuten könnte. Als er ihn genauer auf Verletzungen untersuchte, wurde der Kleine wieder wehrhaft. Da sagte er, dass wir ihm eine Chance geben sollten und er erstmal zur Ruhe kommen soll.
Er wurde in eine kleine Nagertransportbox gesetzt und Beoperlen sollten im Wasser eingeweicht werden, um zu sehen, ob er etwas davon nehmen würde, da sie keine Heimchen mehr hatten. Und da ich außer 3 Katzen Zuhause gar nichts hatte, um ihn Unterschlupf zu gewähren und ich auch keine große Ahnung von Vögeln habe, konnte er über Nacht in der Praxis bleiben. Weil alle beschäftigt waren, legte ich ein paar Beoperlen ins Wasser und setzte mich neben die Box.
Und da saß ich mit ihm im kühleren und dunkleren Ultraschallraum und wartete auf ein Wunder. Als ich auf dem Heimweg war, hatte ich mich sehr müde und irgendwie traurig gefühlt, und dann kreuzte dieses kleine Wesen meinen Weg … und dort im Ultraschallraum war ich hellwach, machte mir große Sorgen um ihn und war traurig … aber diesmal nicht um meinetwegen.
Nach etwa 30 Minuten waren die Beoperlen eingeweicht, aber er wollte nichts davon und so ließen wir ihn in Ruhe und setzten ihn in die Box. Ich sprach mit dem Tierarzt bezüglich der Optionen, wenn er die Nacht überstehen sollte und bekam ein paar Kontaktdaten.
Bevor ich ging, nahm ich ihn aus der Box, bot ihm Wasser an, das er trank und sah, dass er erneut gekotet hatte. Als ich ihn wieder in die Box setzen wollte, spürte ich, dass er mit beiden Füßen meinen Finger griff, doch sein rechtes Auge hielt er weiter geschlossen und drehte den Kopf wieder zur Seite. Und dennoch waren wir etwas optimistischer und ich ging nach Hause.
Heute Morgen rief mich die Praxis an und sagte mir, dass er die Nacht überlebt hatte und es ihn etwas besser zu gehen schien. Man hatte ihm in der Zwischenzeit ein Antibiotikum und etwas Glukose gegeben, da er nicht fressen wollte.
Ich rief bei NABU (Naturschutzbund Deutschland e. V.) an und hinterließ auf dem AB eine Nachricht, ich rief eine auf Vögel und Reptilien spezialisierte Praxis an, die mir sagte, dass sie ihn entgeltlich behandeln, aber nicht aufnehmen könnte und mir die FU-Tierklinik empfahl, da diese mit dem NABU zusammenarbeiten würden.
Ich beschloss, früher Feierabend zu machen, ihn abzuholen und ihn dann am liebsten in die professionellen Hände von der Auffangstation des NABU zu übergeben.
Gegen 14 Uhr bekam ich einen Anruf mit der Nachricht, dass er innerhalb der letzten Stunde gestorben sei.
Dann gegen 15 Uhr bekam ich einen Rückruf von NABU, aber ich konnte der Dame nur sagen, dass er gestorben war. Sie war sehr nett und wir unterhielten uns kurz über die Möglichkeiten, falls ich erneut in eine solche Situation kommen sollte. Sie vermutete, dass er vielleicht noch ein Ästling war und gegen das neue Baugerüst geflogen sein könnte und sich dabei schwer am Kopf verletzt hat.
Der kleine Spatz hat es nicht geschafft …
und natürlich gehen mir verschiedene Fragen und vielleicht sogar Vorwürfe durch den Kopf,
was ihm jedoch nicht mehr hilft …
aber ich weiss beim nächsten Mal,
wohin ich mich sofort wenden kann …
und vielleicht hilft das dann einem anderen Vogel.
Und das ist auch der Grund, warum ich euch hier von Herrn Sperling erzähle:
Wenn ihr einen verletzten Wildvogel in Berlin findet, dann setzt ihn in eine dunkle Box, wo er jedoch genug Luft bekommt, ruft bei NABU an und sprecht auf den AB, man ruft euch in jedem Fall zurück.
Hier findet ihr die Anlaufstellen von NABU in Deutschland
http://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/01946.html
Braucht der Vogel medizinische Hilfe, dann könnt ihr ihn sofort ohne telefonische Anmeldung zur FU-Tierklinik bringen, denn sie haben einen 24-Stunden Notdienst und dort wird der Vogel versorgt und im Anschluss von NABU zum weiteren Päppeln und Auswildern abgeholt.
Dort kann man sich auch sicher sein, dass nicht zu früh eingeschläfert wird, was mir persönlich sehr wichtig ist.
http://www.vetmed.fu-berlin.de/einrichtungen/kliniken/we20/tieraertzlicher_notdienst/index.html
FU Kleintierklinik
Oertzenweg 19b
Gebäude 1
14163 Berlin
Bei Frau Dr. Sonja Kling in Charlottenburg bekommt man zu den „normalen Zeiten“ ebenfalls Hilfe mit Wildvögeln https://www.vogelpraxis.de/
Mit Frau Dr. Mandy Carnarius hatte ich telefoniert und sie hatte freundlicherweise angeboten, dass ich mich für den unvorstellbaren Fall melden kann, dass alle Stricke reißen, daher erwähne ich sie hier https://www.vogel-tierarzt.de/
Hier sind ein paar Informationen zu Jungvögeln, Nestlingen und Ästlingen:
https://berlin.nabu.de/tiere-und-pflanzen/was-tun-wenn/13873.html
So sah er etwa aus …
nur dünner.
Flieg kleiner Vogel und sei frei!