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NEIN zum Hausbesuch bei Katzen – abgesehen von Ausnahmen

Dieser Beitrag liegt nun schon seit fast 2 Jahren in meiner Schublade, doch ich hatte nie die Zeit den Artikel mit seinem “Streitpotenzial”, in Ruhe zuende zu schreiben. Nachdem sich allerdings vor allem in diesem Jahr die Fälle häuften, in denen Katzen im Hausbesuch von Tierärzten traumatisiert wurden, und die Folgen ein nachhaltiger Vertrauensverlust der Katzen zu Menschen und Verhaltensauffälligkeiten waren, ist dieser Artikel wohl mehr als überfällig.

Die Pandemiebedingungen haben dazu geführt, dass nach neuen Wegen gesucht wurde, trotz Abstandsregeln und Lockdown wichtige Dinge aufrecht zu erhalten, wie z. B. das Arbeiten im Allgemeinen, das Lernen & Lehren, das Beraten und aber auch die (tier-) ärztliche Versorgung.

Dadurch entstanden oder profitierten Dienstleistungen wie Telemedizin und der tierärztliche Hausbesuch erfuhr einen regelrechten Boom.

Wenn allerdings die menschliche Bedürfnisbefriedigung (auf Seite der Anbieter oder Konsumenten) dazu führt, dass Tiere unnötig in Gefahr gebracht werden und den Tieren nur eingeschränkte, unzureichende oder sogar minderwertige medizinische Diagnostik und Behandlung zuteil wird –  endet meine Toleranz – denn die Leidtragenden sind hier wieder die Katzen, physisch wie psychisch.

Zudem verurteile ich irreführende Werbung und halte es für ethisch und moralisch verwerflich, die Unwissenheit der Katzenhalter und ihr Vertrauen in Tierärzte auszunutzen und ihnen zu suggerieren, dass die Katze im Hausbesuch keinen Stress hätte und man deshalb der Katze mit einem Hausbesuch etwas Gutes tun würde. Hier profitieren wie bei vielen menschenfreundlichen Tierprodukten fast immer nur die Menschen.

Ich möchte hier gleich klarstellen, dass ich (wie vor Corona auch) grundsätzlich dankbar dafür bin, dass es tierärztliche Hausbesuche und mobile Tierärzt gibt, denn es gibt durchaus Ausnahmefälle und Ausnahme-Katzen, für die es ein Segen ist.
Allerdings muss meiner Meinung nach sehr verantwortungsbewusst vorgegangen und klar und ehrlich mit den Katzenhaltern kommuniziert werden.

Mit knapp 15.000.000 Katzen in deutschen Haushalten, ist die Katze das (zahlenmäßig) beliebteste Haustier Deutschlands. Leider wird sie dennoch den Tierärzten deutlich seltener und oft zu spät vorgestellt. Gründe hierfür gibt es viele, einige liegen in der (Verhaltens-) Biologie der Katze und andere liegen in uns, denn wir Menschen neigen stark dazu, alles aus unserer Perspektive zu beurteilen – vor allem dann – wenn es uns auch “gelegen” kommt.

  • “Ich gehe doch auch nicht bei jeder Kleinigkeit zum Arzt.”
  • “Ich warte ein paar Tage ab, vielleicht verschwindet es von allein, so wie beim letzten Mal.”
  • “Es ist normal, dass Katzen kotzen.”
  • “Ich habe keine Zeit.”
  • “Die Tierarztbesuche sind der reinste Horror für mich”
  • “In der FB-Gruppe, Google, Forum wurde mir geraten …”
  • “Ich kann es mir gerade nicht leisten.”
  • “Katzen haben 7 Leben und sind hart im nehmen.”
  • “Meine Katze hasst Tierarztbesuche.”

Diese Gründe und andere “Argumente” gibt es von viel zu vielen Katzenhaltern. Ich bin mir sicher, dass diese Katzenhalter ihrer Katze nicht schaden wollen, doch die Realität ist, dass dadurch ihrer Katze eine Gesundheitsvorsorge, eine frühzeitige Behandlung und angstfreie Tierarztbesuche vorenthalten wird.

Doch hier soll es nicht um Tierarzttraining, Tierarztbesuche und Gesundheitsvorsorge gehen, sondern erklären, warum ich als Katzenexpertin im Normalfall tierärztliche Hausbesuche bei Katzen als “Alternative” zum Tierarztbesuch  (bis auf wenige Ausnahmen – siehe unten) ablehne.

 

Das Zuhause der Katze = Der sicherste Ort der Welt

Unser Zuhause ist vor allem für reine Wohnungskatzen nicht nur ihr ganzes Universum, sondern ihr Lebensmittelpunkt und sollte der “Sicherste Ort auf der Welt” – ein Zufluchtsort sein und bleiben.

Wenn wir Menschen draußen auf der Straße von Fremden schlecht behandelt oder sogar überfallen werden, ist das schrecklich und verletzt uns stark in unserem Sicherheitsgefühl. Doch wenn uns das gleiche in unserem eigenen Zuhause passiert, dann erschüttert uns das in unseren Grundfesten, denn wir verlieren unseren sichersten Ort der Welt.

Wir meinen es gut, wenn wir versuchen mittels Hausbesuch den Stress für unsere Katzen zu reduzieren, doch Vermeidung löst nicht die eigentliche Ursache. Nur positives Training kann der Katze dabei helfen, die Angst vom dem Tierarzt bzw. Tierarztbesuch zu verlieren. Durch Vermeiden wird die Komfortzone der Katze mit der Zeit immer kleiner, und wenn sie dann als Notfall doch zum Tierarzt gehen muss, ist die Angst, der Stress und das Drama zusätzlichen zu den Beschwerden für alle Beteiligten (Katze, Katzenhalter und Tierarzt) um ein Vielfaches größer und meist wird dann eine Negativspirale in Gang gesetzt.

 

Medizinisch betrachtet

Es gibt ganz klare Grenzen für Hausbesuche, vor allem was die Diagnostik und invasive Eingriffe angeht. Das ist ein Faktum und auch schön aufbereitete Werbung kann dies nicht ändern.

Wichtige Differenzierung vorab:
Mobile Tierärzte ≠ Tierärzte, die Hausbesuche bei ihren Praxispatienten machen

Wenn meine Katze krank ist, bekomme ich bei meinem Tierarzt immer schneller einen Termin als bei mobilen Tierärzten. Denn wenn eine Katze die ersten Krankheitssymptome zeigt, habe ich keine Zeit zu verlieren, da Katzen lange still  leiden bevor für uns Menschen die Symptome erkennbar sind.

Kein mobiler Tierarzt hat die Bandbreite aller Instrumente und einer Praxisapotheke dabei und i. d. R. auch nicht eine katzenerfahrene Assistenz, um gründlich und dennoch gewaltfrei eine Katze untersuchen zu können, die Schmerzen hat.
Außerdem ist es im Hausbesuch nicht möglich, flexibel mit weiteren Untersuchungen fortzufahren, weil Röntgen, Ultraschall & Co. nicht vorhanden sind und auch nicht alle Proben aufbereitet und untersucht werden können. Damit ist unabhängig von einem medizinischen Notfall nicht einmal ein kompletter Gesundheitscheck mit geriatrischem Profil und Röntgen möglich.

Ausnahmen hiervon können z. B. Tierärzte mit einem zum Tierarztmobil umgebauten Rettungswagen sein.

Hygiene
Da mobile Tierärzte nur in den Wohnungen der Patientenbesitzer praktizieren, sind sie den Krankheitserregern ihrer Patienten in einer viel höheren Konzentration ausgesetzt als im Behandlungszimmer einer Tierarztpraxis. Und da ein Hausbesuch sich dem nächsten anschließt, tragen sie diese im Zweifelsfall zum nächsten Patienten in das nächste Zuhause weiter. Desinfektion und Reinigung der Instrumente sind meist unzureichend und die Tierärzte selbst tragen über Kleidung und Schuhe vieles weiter.

NO GOs – Narkosen und Operationen Zuhause
Narkose-Risiko ist immer ein ernstzunehmendes Risiko, weswegen ich auch grundsätzlich Inhalationsnarkosen bevorzuge. In einer gut ausgestatteten Tierarztpraxis gibt es die Umgebung, Geräte, Medikamente und Mitarbeiter, um das Ruder in einem Notfall noch schnell umzureißen zu können. In einer verantwortungsvollen Tierarztpraxis wird die Aufwachphase von ausgebildetem Personal überwacht und das Tier darf erst nach Hause gehen, wenn es wieder fit ist. In der Zwischenzeit liegt es auf der Wärmematte, bekommt eine Infusion und darf langsam wach werden – das geschieht über mehrere Stunden.

Die Tiermedizin ist nicht diesen weiten Weg des Fortschritts gegangen, um unnötige Risiken für Gesundheit und Leben der Tiere einzugehen – sei es aus Bequemlichkeit, Unwissenheit oder Profitgier.

Ich finde es verantwortungslos, Tiere unter unsterilen Bedingungen auf dem Küchentisch zu operieren und einem erhöhten Risiko auszusetzen. Das ist leider oft im Tierschutz ärmerer Länder nicht anders möglich, doch davon kann hier wohl kaum die Rede sein.

 

Ausnahmen

ZEN-Katzen
Es gibt Katzen, die ein scheinbar unerschütterliches Vertrauen in das Leben, uns Menschen und sich selbst haben und alles und jedem unvoreingenommen begegnen und “lieben”.  Bei solchen Katzen sind Hausbesuche für “Routinebehandlungen” wie z. B. Impfung mit vorangegangener Allgemeiner Untersuchung durchaus in Ordnung, sofern es sich um katzenhöfliche Tierärzte handelt, denn auch diese Katzen können durch respektlose Übergriffigkeit “zu viel” Zwang beim Handling negative Verknüpfungen aufbauen.

Sehr junge/mutterlose/kranke Katzenbabies
Für Allgemeine Untersuchungen, Grundimmunisierungen von sehr junge mutterlose, geschwächten oder kranken Katzenjungen können Hausbesuche durch die Tierarztpraxis manchmal sehr sinnvoll sein, um (zusätzliches) Infektionsrisiko z. B. nach überstandener schwerer Krankheit zu verringern.

Palliative Behandlung & Euthanasie
Wenn am Ende eines Katzenlebens keine Heilung mehr möglich ist und wir unseren Katzen “nur noch” ihre Beschwerden lindern und ihre Lebensqualität in anderen Bereichen erhöhen können, ist der Hausbesuch des behandelnden Tierarztes ein Segen. Und so auch, wenn wir ihnen nur noch das letzte Geschenk machen können, geborgen Zuhause in Ruhe gehen zu dürfen.

 

Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Unsere Absichten sind gut, wenn wir unseren Katzen möglichst viel Stress und Angst ersparen möchten. Doch wir sollten uns zum Wohle der Katzen auf die Lösung der Ursache und nicht der Vermeidung der Symptome konzentrieren. Deshalb ist es zielführender mittel- und langfristig durch die Katzenbrille zu schauen, als kurzsichtig durch die Menschenbrille zu entscheiden.

Wir hoffen, dass wenn unsere Katzen keinen Transportstress haben und sie sich Zuhause sicher fühlen, sie auch eher die tierärztliche Untersuchung “über sich ergehen lassen” werden. Doch ist es wirklich das, was wir uns für unsere Katzen wünschen? Es über sich ergehen lassen? Spätestens wenn sie krank, und deshalb auch psychisch geschwächt sind, wird meist aus einem Aushalten eine Selbstverteidigung. Weder die Katze noch ihr Mensch können diese zusätzliche Belastung gebrauchen.

Alter und Krankheit unserer Katzen sind nicht vermeidbar, aber wir können es ihnen erträglicher machen. Und dafür brauchen sie Vorhersehbarkeit, Kommunikationssicherheit und Routine durch Tierarzttraining und viele positive Referenzerlebnisse beim Tierarzt mit uns als entspannte Katzeneltern.

Und so bitte ich als Katzenverhaltensberaterin und Low Stress Handling Silver Certified und Fear Free Certified Professional (Trainer) zum physischen und psychischen Wohl von Katzen, um die einzig sinnvolle und katzengerechte Herangehensweise für unliebsame Tierarztbesuche – Tierarzttraining (bestehend aus Transportbox-, Transportfahrt- und Medical Training).

Zu diesem Thema gibt es mit Sicherheit viel mehr zu sagen, doch in diesem Beitrag wollte ich nur kurz zusammengefasst meinen Standpunkt als Katzenexpertin erläutern, da ich in meinen Beratungen oft nach meiner Meinung zum Hausbesuch gefragt werde.

Und wie immer:
Ausnahmen bestätigen bekanntlich nur die Regel!

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